Auf! – Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch in Einrichtungen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

Kurzbeschreibung
Dank der Berichte von Betroffenen ist Institutioneller sexueller Kindesmissbrauch inzwischen ins gesellschaftliche Problem-Bewusstsein gerückt. Das geschah vor allem im Zusammenhang mit der katholischen Kirche. Doch auch Betroffene in evangelischen und nicht-kirchlichen Einrichtungen gingen mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit. Angestoßen wurde ein Umdenken: Vom Wegschauen zum Hinschauen! Vielen Verantwortlichen in kirchlichen wie in nichtkirchlichen Einrichtungen wurde bewusst: Die Institutionen haben die Pflicht, den Betroffenen eine Aufarbeitung des Erlebten zu ermöglichen. Dieser Impuls war die Voraussetzung unseres Projekts.
Im Jahr 2015 wurde in der Absolventen-Zeitschrift der als „Evangelischen Seminare“ bekannten kirchlichen Internate in Württemberg der fiktive Brief eines Betroffenen sexuellen Missbrauchs veröffentlicht – zusammen mit dem Aufruf an andere Betroffene, sich zu melden. Daraufhin gingen bei der Anlaufstelle für Prävention der Evangelischen Landeskirche in Württemberg knapp 30 Meldungen zu sexuellen Übergriffen an den Seminaren ein. Sie ereigneten sich in den 1950er und 1960er Jahren, teilweise bereits in Kursen, die auf die Prüfung zur Aufnahme an den Seminaren vorbereiteten, aber auch bei Reisen des Stuttgarter Hymnus-Chores. Als Täter wurde durchweg ein Industrieller genannt, der sich als „Wohltäter“ der Landeskirche einen Namen gemacht hatte, ihrem konservativ-pietistischen Flügel angehörte und im Evangelischen Jungmännerwerk Württembergs engagiert war.
Ziel unseres Projektes ist es, die angezeigte Serie von Missbrauchsfällen aufzuarbeiten. Wir wollen mehr über die Betroffenen und ihren Umgang mit dem Erlebten erfahren, aber auch über den Täter und eventuelle weitere Tatbeteiligte oder Mitwisser. Wichtig ist uns, welche Strukturen, Mentalitäten, Verhaltensmuster, Rituale oder Beziehungsgeflechte den Missbrauch begünstigt, im Einzelfall vielleicht auch verhindert haben. Dazu sollen die Betroffenen zu Wort kommen, aber auch weitere Zeitzeugen, die den Seminar-Alltag in den 1950er und 1960er Jahren miterlebt haben. Außerdem werden Akten und weiteres Quellenmaterial auf Informationen zu den Tatbeteiligten, zu möglichen Mitwissern und gegebenenfalls zum Umgang der kirchlichen Leitungsebene mit Hinweisen auf die Missbrauchsfälle untersucht.
Wir hoffen, den Betroffenen mit dem Angebot zur Projektteilnahme bei der ganz persönlichen Aufarbeitung Ihrer Missbrauchserfahrung helfen zu können. Die Ergebnisse der Befragungen und Recherchen sollen aber auch dem Kinderschutz heute zugutekommen. So schließt sich an die historische Aufarbeitung ein zweites Teilprojekt an, das sich mit den aktuellen Schutzkonzepten der seinerzeit betroffenen Einrichtungen auseinandersetzt. Besonderes Augenmerk gilt der Sicht der betreuten Kinder und Jugendlichen sowie der Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen auf die Umsetzung dieser Konzepte. Das Ziel ist – im Wissen um die Ergebnisse der historischen Aufarbeitung – Empfehlungen für eine Verbesserung von Kinderschutz und Prävention geben zu können.

Projektverantwortliche(r):
Jun.-Prof. Dr. Miriam Rassenhofer,
Professur „Lehre, Dissemination und Vernetzung im Kinderschutz“
Kompetenzzentrum Kinderschutz in der Medizin

Stellvertretung:
Mitja Weilemann M.A.
Büroleiter des Ärztlichen Direktors der KKJP, Forschungsreferent

Projektmitarbeitende:
Simone Korger, M.Sc.
Dr. Harald Haury

Projektlaufzeit:
01/2021-10/2023

Förderer:
Evangelische Landeskirche in Württemberg

Datenschutzkonzept für das Auf!-Projekt:
Das Datenschutzkonzept des Projekts "Auf!" können Sie hier als pdf-Datei herunterladen.